Elektromobilität

Es sind in Deutschland gegenwärtig ca. 65 Mio. Fahrzeuge angemeldet. Wenn man sich in einem fiktiven Szenario vorstellt, dass mittelfristig 40 Mio. Fahrzeuge davon mit elektrischem Antrieb ausgestattet sind und diese, wie es schon heute bei größeren Elektrofahrzeugen von Audi, Tesla etc. erreicht wird, eine Reichweite von ca. 500 km erzielen, so hat die Batterie eine Kapazität von ca. 100 kWh. In diesem Beispiel haben wir also 40 Mio. Fahrzeuge mit je 100 kWh Kapazität. Es sind in diesem Szenario in den Fahrzeugbatterien insgesamt 4 Mrd. Kilowattstunden an Energie gespeichert, wenn sie voll sind. Wenn man sich nun zum Vergleich einmal ansieht, wie viel Speicherkapazität alle deutschen Pumpspeicherkraftwerke haben, so ist diese Zahl mit rund 40 Mio. kWh[1], also nur etwa einem Prozent, ziemlich klein gegenüber der in dem beschriebenen Fahrzeugszenario gespeicherten Energie.

Das Stromangebot eines künftigen Strom-Mix aus erneuerbaren Energien wird starken Schwankungen unterliegen. Mal weht starker Wind und es ist wolkenlos, dann produzieren die PV Anlagen auf Nennleistung. Es gibt aber auch Tage, da weht der Wind schwach und es ist wolkig. Da werden dann die netzdienlichen Speicher sehr wichtig. Ein massiver Zubau an Pumpspeicherkraftwerken mit dem damit verbundenen Landschaftsverbrauch wäre schwer umzusetzen und selbst bei einer Verzehnfachung der Anzahl an Pumpspeicherkraftwerken wären es dennoch nur 10% der Energie, die in den Fahrzeugen aus dem obigen Beispiel gespeichert ist. Nun ist es so, dass nicht jeder Autofahrer täglich die volle Reichweite seines Fahrzeugs benötigt. Die allermeisten fahren täglich weniger als 100 km und benötigen dafür weniger als 20% ihrer Batteriekapazität. Wenn also die Autobesitzer einen Teil ihrer Batteriekapazität für die Stabilität der Energieversorgung zur Verfügung stellen würden, nehmen wir nur 25% der Batteriekapazität an, so ist das schon 25 mal so viel wie die gesamte Speicherkapazität aller deutschen Pumpspeicherkraftwerke zusammen. In einem künftigen erneuerbaren Energiemix wird die Elektromobilität aufgrund dieser Betrachtungen eine entscheidende Rolle bei der Energiewende spielen, da man die notwendige Speicherung des Stroms ohne die Elektrofahrzeuge nur schwer (oder eben nur teuer) bereitstellen kann. Ein weiteres Beispiel hilft vielleicht, das besser zu veranschaulichen. Wenn Sie in ihrem Haushalt 3.600 kWh an Strom im Jahr verbrauchen, was ein recht typischer Wert ist, so brauchen Sie pro Tag im Schnitt 10 kWh. Wenn Ihr Auto in diesem Beispiel 100 kWh Kapazität hat, so brauchen Sie also nur ca. 10% dieser Kapazität pro Tag im Haus. Die Elektroautos wären also in diesem Beispiel in der Lage, die Stromversorgung für die Haushalte ihrer Besitzer für einige Tage sicherzustellen und das völlig dezentral, selbst bei einem vollständigen Ausfall der Erzeugungsleistung. Voraussetzung für die Rückspeisung der Energie aus der Fahrzeugbatterie wären Gleichstromladestationen mit integriertem Wechselrichter. Solche Systeme sind bislang in Feldversuchen im Einsatz[2]. Diese Technik wird auch als Vehicle-to-Grid (V2G) oder als Vehicle-to-Home (V2H)[3] bezeichnet und stünde bei entsprechendem politischen Willen und bei einem raschen Ausbau der PV und der Elektromobilität im Grunde sofort zur Verfügung. Bidirektionale Ladestationen für zu hause oder fürs Büro sind Ende 2018 vorgestellt worden und werden in Kürze auf dem Markt erhältlich sein[4].

 

Aber so wie bei der PV gibt es auch bei der Elektromobilität große oder vielleicht noch größere Vorurteile, das größte vielleicht gleich zuerst:

„Die Elektroautos verursachen bei der Herstellung der Batterien mehr CO2–Emissionen, als sie in ihrem Autoleben wieder einsparen können.“

An dieser Stelle wird ja immer wieder eine Studie aus Schweden zitiert[5], die im Grunde gar keine Studie ist, sondern eine Metastudie. Das heißt: Die schwedischen Autoren haben im Jahre 2017 gar nichts selber untersucht, sondern lediglich Ergebnisse anderer (noch älterer) Studien zusammengetragen. Offenbar gab es aber viele, die diese Studie trotz ihrer Mängel weiterverbreitet haben, wie zum Beispiel der „Focus“[6]. Sie wurde auch in vielen weiteren Blättern und auch von Politikern zitiert, man könnte fast sagen, sie hat sich „viral“ ausgebreitet. Bevor jedoch politische Entscheidungen aufgrund einer mangelhaften, mittlerweile völlig überholten Studie getroffen werden, sollte man sich damit genauer beschäftigen. Mittlerweile sind einige kritische Artikel erschienen, die die Mängel der Studie aufzeigen; z. B. im „Handelsblatt“: „Elektroauto-Akkus: So entstand der Mythos von 17 Tonnen CO2[7].

Für die Herstellung von Lithium-Batterien braucht man viel Energie, aber es wird, analog zu dem Beispiel mit der Photovoltaik, mit zunehmendem Produktionsvolumen immer weniger je Akkuzelle. Die Energie, die man benötigt, ist vor allem Energie in Form von Strom. Wenn man sich nun eine Batteriefabrik vorstellt, die mit einem Solarkraftwerk oder mit einem Wasserkraftwerk CO2neutral betrieben wird, so ist die CO2-Emission bei der Herstellung von Lithium-Batterien sehr gering. Genau das macht zum Beispiel Tesla in seiner finalen Ausbaustufe der derzeit schon im Betrieb befindlichen so genannten „Gigafactory“ in Nevada[8]. Der Strom für die Produktion der Lithiumbatterien in dieser Fabrik wird von direkt auf den (und um das Werk) angesiedelten Solar-und Windkraftwerken fast CO2frei produziert. Alles andere wäre ja auch ökonomisch unsinnig, da die Kosten für Solarstrom in der Wüste von Nevada ja nochmals deutlich niedriger liegen als in dem oben genannten Beispiel in Deutschland - keine andere Form der Energie wäre günstiger.

Das zweite große Vorurteil ist die angeblich mangelnde Verfügbarkeit der Rohstoffe. Nun braucht man für Lithiumbatterien neben Lithiumcarbonat auch Kobalt. Beides sind keine unproblematischen Rohstoffe. Die Lithium-Vorkommen der Welt werden auf gut 50 Mio. Tonnen geschätzt. Darin ist das im Meer gelöste Lithium mit ca. 240 Mrd. Tonnen[9] nicht enthalten. Im Jahre 2017 wurden zweiundvierzig tausend Tonnen Lithium gefördert. Würde dieser Verbrauch stagnieren, würden die Vorkommen gut 1000 Jahre ausreichen. Für die Herstellung einer Batterie für ein Auto mit 100 kWh Kapazität werden ca. 10 kg Lithium[10] [11] benötigt. Man könnte also mit den Vorkommen an Lithium ca. 5 Mrd. Fahrzeuge bauen. Lithium ist also in Bezug auf die Förderung reichlich vorhanden. Auch das Recycling von Lithium (und der anderen in den Batterien enthaltenen Rohstoffe) aus Fahrzeugbatterien ist fast vollständig und umweltfreundlich möglich[12]. Ein weiterer Aspekt ist die Gewinnung von Lithium aus dem Meerwasser, insbesondere aus der Salzlake, die bei der Meerwasserentsalzung anfällt. Über kurz oder lang wird diese Quelle sicherlich eine Ergänzung der Lithiumgewinnung werden und ist heute Gegenstand von vielen Forschungsarbeiten[13]. Die Menge an Lithium aus dem Meerwasser ist so groß, dass diese für menschliche Maßstäbe als unerschöpflich angesehen werden kann.

Der zweite oft ins Gespräch gebrachte Werkstoff ist Kobalt. Kobalt wird zurzeit noch in geringen Mengen in den Antriebsbatterien (NCO-Zellen) für Elektrofahrzeuge benötigt. VW baut in seinen e-Golf zum Beispiel Batterien ein, die etwa 10% an Kobalt enthalten[14]. Tesla verbaut in seinem „Model 3“ Batterien mit einem Kobaltgehalt von weniger als 3 %, also einem Bruchteil davon. Es ist aber keineswegs so, dass Kobalt für den Betrieb einer Batterie zwingend notwendig wäre[15]. Es gibt schon heute viele Lithiumionen-Akkus, die völlig ohne Kobalt auskommen, wie zum Beispiel die Lithium-Eisen-Phosphat Batterie, deren höheres Gewicht für Fahrzeuge allerdings ein Nachteil ist und die deshalb vor allem für stationäre Speicher verwendet werden. Daher wird intensiv an der Entwicklung von kobaltfreien Antriebsbatterien gearbeitet. Die Universität Maryland hat in Zusammenarbeit mit dem US-Militär kürzlich eine kobaltfreie Lithium-Ionen Batterie vorgestellt, die nicht nur sicherer ist, sondern sogar - bei gleichem Gewicht wie bei bisherigen Batterien - , mehr als das Zweifache an Kapazität haben soll[16]. Wenn man sich die Anzahl an Publikationen in diesem Bereich ansieht, scheint das Innovationsfeuerwerk gerade erst gezündet worden zu sein.
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[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Pumpspeicherkraftwerk

[2] https://www.mobilityhouse.com/de_de/magazin/pressemeldungen/v2g-hagen-elektroauto-stabilisiert-stromnetz.html

[3] https://www.mobilityhouse.com/de_de/vehicle-to-grid

[4] https://vision-mobility.de/news/emove360deg-wallbox-bringt-v2g-laden-und-google-assist-ins-spiel-1920.html

[5] http://www.ivl.se/download/18.5922281715bdaebede95a9/1496136143435/C243.pdf

[6] https://www.focus.de/auto/elektroauto/e-auto-batterie-viel-mehr-co2-als-gedacht_id_7246501.html

[7] https://edison.handelsblatt.com/erklaeren/elektroauto-akkus-so-entstand-der-mythos-von-17-tonnen-co2/23828936.html

[8] https://www.tesla.com/de_DE/gigafactory

[9] http://scienceblogs.de/wasgeht/2015/08/20/wenn-geht-uns-das-lithium-fuer-elektroautos-aus/

[10] https://de.wikipedia.org/wiki/Lithium-Ionen-Akkumulator

[11] https://images.homedepot-static.com/catalog/pdfImages/22/2266fab5-0182-44f1-9a71-c8ca2d81398c.pdf (aus dem Anteil an lithiumhaltigen Komponenten in der Batterie lässt sich über die Atomgewichte der Lithiumgehalt je kWh Speicherkapazität ableiten; Der Batterietyp, auf den sich die Veröffentlichung bezieht, wird z.B. im Tesla Model S und X verbaut)

[12] https://www.duesenfeld.com/effizienz.html

[13] https://www.jstage.jst.go.jp/article/apcche/2004/0/2004_0_995/_pdf

[14] https://ecomento.de/2019/03/29/vw-elektroauto-batterien-deutlich-mehr-kobalt-als-tesla-akkus/

[15] https://www.hs-karlsruhe.de/fileadmin/hska/EIT/Aktuelles/seminar_erneurbare_energien/Sommer_2018/Folien/180418BatteriespeicherVetter.pdf Seite 14 - alternative Kathodenmaterialien wie bei der LFP-Zelle.

[16] https://www.nature.com/articles/s41586-019-1175-6